Junge Leute stehen als Schauspieler auf der Bühne

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"Ich sehe was, was du nicht siehst"| 03.06.2024

ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST - Rezession zum neuen Stück

eine Musiktheaterproduktion des Theaterjugendclubs

Staatstheater Cottbus, Junges Staatstheater

Premiere am 24. Mai 2024

Im Juni 2023 hieß es beim Theaterjugendclub: „We have a problem“, und im Stück sollten alle Probleme gelöst werden.

Diesmal, so die Ankündigung, geht es um den Perspektivwechsel - um den Versuch (und die Aufforderung), die Welt einmal mit den Augen der Anderen zu sehen. Und es soll hinterfragt werden, was normal ist oder auch ungewohnt, visionär oder vertraut. Um im Bild zu bleiben, sei dabei ein Stück entstanden so normal, wie es noch nie gesehen wurde!

Das Vorhaben ist also durchaus groß, die Aufgabe komplex - und bereits bei 14 Mitwirkenden ergeben sich durch die Augen vieler Betrachter entsprechend viele Blickwinkel.

Diese zu einem Stück zu verbinden, ist vielleicht als Absicht einfach zu hoch gegriffen und in dieser Form nicht gelungen. Was jedoch, lässt man den Stück-Gedanken beiseite, auch nicht schlimm ist.

Sehen wir das Geschehen eher als Werkstattprozess.

Ein benachbartes, junges Ensemble hat das kürzlich vorgemacht und den Darstellerinnen und Darstellern die Freiheit gegeben, in jeder Vorstellung auch tagaktuell zu agieren - ohne dass dabei der klare, rote Faden verloren geht.

Was besonders Jugendliche bewegt, und in welch intensiver Form die Suche nach sich selbst, das Entdecken von Freiheit, das Erleben von Unfreiheit, die Beschränkung durch Normen und deren (Un-)Verständlichkeit, die Abwesenheit von Orientierung, das Verlangen nach Halt, das Erleben der Liebe, der Schmerz durch Ablehnung, …, … gerade in dieser Zeit unser Leben bestimmen, ist - ich sagte es, äußerst komplex und nur unter Konzentration auf einzelne Aspekte in einer Stunde zu beschreiben. Bereits der gerade unternommene Versuch, einen Teil dieser Herausforderungen aufzuschreiben gerät notwendigerweise unübersichtlich - wie auch die aktuelle Inszenierung des Theaterjugendclubs.

Sie scheinen selbst in die Falle zu tappen, Normen erfüllen zu wollen, Leistung bringen zu wollen, alle Probleme ansprechen zu wollen. Erneut scheinen einige Inhalte eher von den (jungen) erwachsenen Machern oder aus der Klischeekiste zu stammen - siehe 2023. Und warum müssen Jugendliche eigentlich immer mit Taschenlampen hantieren?

Dabei sind viele der Ideen in ihrer Umsetzung richtig gut; zeigen sich an vielen Stellen sehr viel Talent und Können; wurde den Jugendlichen eine gute Bühne geboten; ist große Spielfreude sichtbar, und werden die Anliegen überwiegend auch erkennbar.

Teils fehlt es etwas an sprachlicher Verständlichkeit, und die Insta-„Vorbild“-Nummer ist auch nach fünf Minuten bereits klar.

Beachtlich erneut die guten musikalischen Parts, wenn auch die Big-Band, im Verlangen alle mitwirken zu lassen, vielleicht etwas zu infantile Anteile hat. Möglicherweise soll aber auch das ein Blickwinkel darauf sein, dass die Kindheit noch nicht lange her ist und jeder die kindliche Sichtweise in sich beachten und wachhalten sollte.

Das Gesamtwerk ist, wie die Jugend und das Leben selbst, unfertig und schön.

Jens Pittasch