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Minderheiten ohne Mutterstaat| 30.04.2024

Was haben die Volksgruppen der Lemken, Sorben und Friesen, der Ladiner, Pomaken und Turk-Mescheten gemeinsam? Ihre Vertreterinnen und Vertreter gehören Minderheiten an, die weder einen eigenen Staat noch einen Nachbarstaat haben, in dem sie die Mehrheit bilden. So stehen diese Minderheiten vor ganz spezifischen und doch ähnlichen Herausforderungen, was den Erhalt und die Pflege ihrer jeweiligen Kultur, Sprache und Identität betrifft. Umso wichtiger ist es daher, dass sie sich zusammenschließen und den regelmäßigen Austausch suchen – dies geschieht in der Arbeitsgemeinschaft Non-Kin-State unter dem Dach der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN). Zwischen dem 23. und dem 26. April 2024 kommt die AG Non-Kin-State zu ihrer jährlichen Tagung zusammen – diesmal bei den Lausitzer Sorben im brandenburgischen Lübbenau/Lubnjow. Auf die Beine gestellt wird die Konferenz in Kooperation mit der Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. Als Sprecherin der Interessen des sorbischen/wendischen Volkes setzt sich die Domowina mit Sitz in Bautzen/Budyšin und zahlreichen Regionalbüros in der gesamten Lausitz für die Erhaltung und Entwicklung der Sprache und Kultur sowie der Traditionen der Sorben ein. „Wir sind sehr dankbar, dass sich unsere Arbeitsgemeinschaft in den letzten fünf Jahren so sehr gefestigt hat – und wir gute Programmpunkte zum Schutz und der Weiterentwicklung der Arbeit der Minderheiten in Europa entwickeln konnten“, erklärt der Sprecher der AG Non-Kin-State, FUEN Vizepräsident Bahne Bahnsen. „Europa braucht konsolidierte, gut funktionierende Staaten, aber unser Kontinent hat mehr zu bieten als nur Nationalstaaten. Die Minderheiten und alten Kulturen, wie die Basken, Roma, Sinti oder Katalanen, sind ein unverzichtbarer Teil unserer viel beschworenen ‚Einheit in Vielfalt‘“, so Bahnsen, der selbst aus den Reihen der Nordfriesen stammt. „Deshalb freuen wir uns, dass wir die diesjährige Jahrestagung bei einer anerkannten und gut organisierten Minderheit – den Sorben – abhalten können“, fügt er hinzu. Neben den sorbischen Gastgebern nahmen an dem Treffen in Lübbenau/Lubnjow Minderheitenvertreterinnen und -vertreter aus zehn verschiedenen Ländern teil: Seien es die Pomaken aus Bulgarien, die Jenischen aus der Schweiz, die Westfriesen aus den Niederlanden, die Nord- und Saterfriesen aus Deutschland, die Ladiner aus Italien, die Turk-Mescheten aus Russland und Aserbaidschan, die Bretonen aus Frankreich, die Aromunen aus Albanien oder die Ruthenen aus Ungarn – sie alle werden den Weg in die Niederlausitz finden. Im Verlauf der viertägigen Veranstaltung haben die etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Gäste die Gelegenheit, die Lausitzer Sorben, ihre Sprache, Organisationen und Kultur näher kennenzulernen, aber auch miteinander ins Gespräch zu kommen. Schwerpunkte der mit Fachvorträgen gespickten Arbeitssitzungen sind in diesem Jahr der Strukturwandel in der Lausitz sowie das Thema „Tourismus als Chance für die Minderheit“. Die eingeladenen Referentinnen und Referenten aus den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Kultur und Politik sowie aus der Tourismusbranche geben dazu in ihren Vorträgen vielfältige Einblicke in aktuelle Entwicklungen und stellen innovative Projekte vor. Innovationskraft sei auch für die Zukunft der Minderheiten von zentraler Bedeutung, ist sich Bahne Bahnsen sicher: „Denn auch wir Minderheiten müssen uns mit unserer Kultur und Sprachentwicklung an neue Technologien, wie zum Beispiel der Künstlichen Intelligenz, anpassen“, betont er. Ein weiterer Fokus der Tagung liegt auf den Länderberichten, in deren Rahmen die Teilnehmenden über aktuelle und relevante Themen in ihren Organisationen berichten. Über den verschiedenen Programmpunkten steht dabei immer die Frage, wie die Minderheiten ohne Mutterstaat ihre jeweilige Kultur und Sprache nicht nur erhalten, sondern auch entwickeln können.

Foto: FUEN/ Kornel Szilagy
Quelle: Federal Union of European Nationalities