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Move On am Piccolo Theater | 26.02.2024
Am Piccolo Theater Cottbus feiert ein neues Stück Premiere "Move On"
Jens Pittasch, Publizist für Kultur-Gesellschaft-Politik hat es sich angeschaut. Hier sein Erlebnisbericht:
Es geht los.“, flüstert es neben mir. Ich verstehe erst beim zweiten Mal, was gemeint ist: Das Stück geht los - mit einem Vorspiel direkt im Foyer des Piccolo-Theaters, zwischen den wartenden Gästen.
Tänzerinnen tauchen paarweise im Publikum auf. Jeweils eine kann nichts sehen, die andere nichts hören. Gegenseitig vermitteln sie sich im Tanz ihre Eindrücke, finden so gemeinsam Wege durch die Wartenden und leiten alle in den Saal.
Dort wird im Vordergrund ein immer wiederkehrender Tagesablauf in viele kleine Zeitschnipsel zerrissen. Eine große Box ist bereits gut gefüllt mit morgendlicher Eile und Routine. Im Hintergrund agiert die Gruppe in individuellem Ausdruck, aus dem doch das ewig Gleiche dieser Handlungen sichtbar wird. Die Zeit verrinnt in den Fingern, ohne Anfang, ohne Ende.
„Move On Move Over“ übersetzt sich mit „Weitermachen, Weitermachen!“ - im Tanztheaterstück der JugendTanzCompany des Piccolo Theaters findet sich die Endlosigkeit des Zeitflusses ebenso beeindruckend wieder, wie die Tatsache deren persönlicher Endlichkeit. Johanna Hoff und die jugendlichen elf Tänzerinnen bilden einerseits eine Referenz zu Michael Endes „Momo“, haben jedoch nicht die Absicht, die 300-Seiten-Geschichte zu erzählen. Stattdessen nehmen sie die Frage nach dem Umgang mit unser aller Zeit direkt aus ihrem Alltag und ihren Erfahrungen. Da ist die Eine, die ihre Routine liebt, da sind Andere, die Grenzen überwinden wollen, da stehen alle - mitten in einem Tanzstück - minutenlang still und schaffen ein äußerst eindrucksvolles Bild, durch das sie selbst und die verblüfften Gäste viel stärker sind als Michael Endes Graue Herren.
Ich weiß, ich habe es über alle Sparten des Piccolo-Theaters schon oft geschrieben. Doch jede Wiederholung ist immer wieder neue, immer wieder erstaunte und freudige Anerkennung dessen, was hier mit Kindern und Jugendlichen geleistet und geboten wird.
So auch bei „Move On Move Over“. Wie es Johanna Hoff gelingt, die heterogene Gruppe der 12- bis 20-jährigen Jugendlichen in ihren persönlichen Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten zu fördern und zugleich die Kraft, Anmut und Synergie der Gruppe zu betonen, ist ein Erlebnis.
Und genau das ist auch die Arbeitsweise im Entstehungsprozess der Piccolo-Inszenierungen mit Kindern und Jugendlichen. Relevanz, gemeinsames Erleben und Freude stehen im Fokus der zugleich immer professionellen Arbeit. Auch hier haben Choreographin und Jugendliche ihr Tanzstück zur Zeit zusammen entwickelt und wird die dabei erreichte Identifikation auch auf der Bühne deutlich.
Musikauswahl, Licht und Bühnengestaltung geben dem Ganzen einen hervorragenden Rahmen und eine sehr gute Betonung und machen zugleich deutlich, dass ein Kinder- und Jugendtheater mit diesen Möglichkeiten ganz und gar keine Selbstverständlichkeit ist.
In nunmehr 33 Jahren hat das Piccolo in unserer Stadt einen generationsübergreifenden Wertekern geschaffen, dessen Bedeutung kaum hoch genug geschätzt werden kann.
Vielen Dank Euch allen!
Jens Pittasch
Es tanzen: Sedrat Almuntaha Abdul Rahman, Fine Langmeier, Viktoria Ulrich, Ella Zechel, Henriette Jähne, Meike Karstan, Alexandra Koar, Mariia Stasiukova, Amelie Traina, Kiara Kirajn und Sofia Bangeow